Die 6L6, eine einzigartige Röhrenkarriere

Veröffentlicht in Octal- und Stahlröhren (6K7, ECH11)

 mehr als 80 Jahre alt - und immer noch quicklebendig

Am 24. März 2016 feierte eine der erfolgreichsten Röhrentypen ihren 80. Geburtstag. - An diesem Tag im Jahr 1936 wurde die von RCA entwickelte und hergestellte Endröhre 6L6 in die EIA - JEDEC - ELECTRON TUBE REGISTRATION LIST eingetragen, was bei amerikanischen Röhren meistens auch das Markteinführungsdatum ist. [1] 

Die Karriere der 6L6 ist wirklich einzigartig. Es ist die erste serienmäßig hergestellte und zugleich berühmteste Beam- Power- Tetrode der Welt.

In Rundfunkempfängern wurde sie wegen ihrer hohen Anodenverlustleistung von 19 W nur in Geräten der oberen Klasse eingesetzt, aber für Musiker-, Musikboxen-, Beschallungs- und HiFi- Verstärker wurde sie auf Anhieb sowas wie eine Standardröhre, ebenso wurde sie universell in elektronischen und nachrichtentechnischen Geräten im Militär- Zivil- und Amateurbereich eingesetzt.

Obwohl es die erste Ausführung ihrer Art ist, wurde sie nie durch einen grundsätzlich anderen Nachfolgetyp ersetzt und obwohl das Röhrenzeitalter auch schon lange wieder vorbei ist, ist sie immer noch in zahlreichen NF- Verstärkern im Einsatz, ganz besonders in Musikerverstärkern.

Sie ist einer der wenigen Röhrentypen, die heute noch hergestellt werden. Obwohl sie nun seit mehr als 80 Jahren existiert, ist sie immer noch nicht reif zur Rente oder gar fürs Altersheim. [2]

Im Vergleich hierzu wurde im gleichen Zeitraum z.B. die deutschen Standard- Endröhren nacheinander von AL4 zu EL11, EL41 und EL84 gewechselt, dazu kamen noch zeitweilig ECL11, EBL1, EBL21 und ECL86, meistens mit anderem Sockel und Aufbau oder anderer Heizspannung (AL4).

Im Eintakt- A- Betrieb erreicht eine 6L6 an 250 V 6,5 W und an 350 V immerhin 10,8 W Ausgangsleistung. Mit einem Paar 6L6 sind bei 360 V Anodenspannung als AB1 Gegentakt- Verstärker 26,5 W und im AB2- Betrieb (mit Gitterstrom) 47 W Ausgangsleistung zu erreichen. [3]

Die spätere 6L6GC erreicht an 450 V im Gegentakt 55 W Ausgangsleistung ohne Gitterstrom.

Beam- Power- Tetroden sind normalen Endpentoden sehr ähnlich, aber im Gegensatz zu diesen befinden sich zwischen Schirmgitter und Anode anstelle eines Bremsgitters Strahlbündelbleche, die wie das Bremsgitter auf Katodenpotential liegen. Sie werden daher auch Strahlbündel- Röhren bzw. -Tetroden genannt.

Des weiteren haben Steuer- und Schirmgitter die gleiche Windungszahl und die Schirmgitterwindungen sind im Schatten der Steuergitterwindungen angeordnet, was u.a. zu verringertem Schirmgitterstrom führt.

Die Strahlbündelbleche sind in der Elektronen- Hauptrichtung mit Öffnungen versehen, die den Elektronenstrom von der Katode zur Anode zu einem verhältnismäßig schmalen Strahl bündeln. Wie sonst das Bremsgitter erzeugen sie eine Raumladung, welche Sekundärelektronen zu ihrer Quelle (Anode) zurückdrängen. [3]

Somit befinden sich fünf Elektroden im System, die weitgehend die gleiche Funktion wie bei Pentoden haben, weshalb sie in der deutschen Literatur meistens auch diesen zugeordnet werden . In Amerika, hauptsächlich bei RCA, bezeichnet man sie jedoch als Tetroden, um deren grundsätzlichen Unterschied zu normalen Pentoden hervorzuheben und diese somit nicht unter das Pentodenpatent fallen.

Die Kennlinie der Beam- Power- Tetroden (BPT) ist über dem gesamten Aussteuerbereich etwas gleichmäßiger als bei normalen Endpentoden, was die Verringerung ungeradzahliger Oberwellen zur Folge hat, die sich besonders übel anhören. Bei Übersteuerung setzt die Begrenzung jedoch schlagartiger ein als bei Pentoden, so dass in diesem abnormalen Fall die normalen Pentoden wieder etwas besser sind.

Es wurde bei der 6L6 eine Flachprofilkatode angewandt, die nur auf den breiten Flächen eine Emissionsschicht hat. Mit einem entsprechend geformten Gitter wird ein über der gesamten Emissionsfläche gleichmäßiger Gitter- Katodenabstand ermöglicht, ähnlich den europäischen Ovalkatoden, wie sie erstmals in AL4 und EL3N verwendet wurden. [4]

Auffällig für eine Röhre dieser Leistungsklasse, aber ganz typisch für die 6L6, ist die außergewöhnlich dünne Katode, besonders im Vergleich zu wesentlich schwächeren Endröhren, z.B. AL4. Die Heizleistung beträgt nur 5,67 Watt (= 0,9 A bei 6,3 V).

Die BPTn wurden vor allem in Amerika zur harten Konkurrenz zu den Endpentoden, die fast verdrängt wurden. In Europa hielt jedoch Philips als Pentodenerfinder zumindest in der NF- Verstärkertechnik noch sehr lange an Pentoden fest, z.B. EL34 und EL84.

Telefunken setzte jedoch ab 1939 mit den Typen ECL11 und UCL11 eine Abwandlung von BPTn ein, welche noch nicht einmal mehr Strahlbündelbleche hatten, stattdessen war ein Rest- Bremsgitter vorhanden, bestehend aus nur noch zwei Stäben und schmalen Blechstreifen an den Glimmerplatten, wobei das Anodenblech im Schatten dieser Stäbe stets offen ist.

Bei Zeilenendröhren setzte sich die BPT jedoch überall vollständig durch.

Die BPT wurde schon 1933 bei EMI/MOV in England entwickelt mit der Absicht, das Philips- Pentodenpatent umgehen zu können. Man glaubte jedoch, solche Röhren nicht herstellen zu können und verkaufte bzw. tauschte die Rechte an RCA für ein Butterbrot - eine verhängnisvolle Fehlentscheidung. [5]

Original erschien die 6L6 im Vollmetall- Kolben in der Baugröße MT10A, die größte Bauform der damaligen RCA- Octal- (Stahl-) Metallröhrenserie mit 31,5 mm Ø und 106 mm Höhe und einem Schweißnahtsaum von 40,5 mm Ø oberhalb des Sockels, welcher der Röhre das Aussehen eines überhohen Zylinderhutes verleiht.

                                                  6L6, 6L6G, 6L6GB und 6L6WGB

Außer in der original- Metallausführung erschien sie nach und nach in allen möglichen Glaskolbenformen, so als 6L6G im ST-16 Domkolben und Quetschfußtechnik (* 12.6.36), im kleineren Domkolben ST-14 als 6L6GA (ohne Bild, * 16.3.43), als 6L6GB in Zylinderform ca. 35 mm Øx 115 h (*16.4.54) und als 6L6WGB / 5881 mit Pressglasboden und nur mit 35 mm Øx 87 mm Höhe. Brimar (UK) lieferte sogar eine 6L6GTY im schmalen GT- Kolben (Größe T9).

6L6GTY und 6L6GC

Einen besonderen Fortschritt stellte die 6L6GC (* 1.12.58) dar mit nun 450 V maximaler Anodenspannung und 30 W Anodenverlustleistung mittels größeren Anodenkühlflügeln und daher 38 mm Ø.

In verschiedenen Sonderausführungen erschien sie unter anderer Bezeichnung u.a. als:

  • 6AL6 mit Scheitel- Anodenanschluss (* 21.8.39)
  • 1614 für Sendezwecke
  • 1619 mit direkter Heizung 2,5 V, 2 A, geringerer Leistung und Steilheit
  • 1622 für hohe Lebensdauer
  • 1631 mit 12,6 V Heizung
  • 5881 (= 6L6WGB) in Glas- Kleinbauform, (* 10.10.50)

Die Röhren 1619, 6L6 und die passende Gleichrichterröhre 5T4, ganz rechts eine 6L6 mit dem neueren RCA - Logo

Aufgrund ihres Erfolges wurden aus der 6L6 weitere Typen mit sehr ähnlichem Aufbau und Charakteristik abgeleitet, bzw. weiterentwickelt.

807, QE06/50 und 4Y25

Hier ist zunächst die legendäre Senderöhre 807 zu nennen mit 9 mm- Scheitel- Anodenanschluss, Gitter-/ Anodenabschirmungen, 5- Stift- Sockel und Domkolben. Im zweiten Weltkrieg fand sie weiteste Verbreitung in Funkgeräten der westlichen Alliierten und noch lange danach bei unzähligen Funkamateuren. In Europa wurde sie von Valvo als QE06/50, bezeichnet, Mazda-France bot sie unter 4Y25 mit weisem Keramiksockel an.

Bemerkenswert ist auch die 1624 (* 24.9.43), die im Aufbau identisch mit der 807 ist, aber eine direkte Heizung hat (2,5 V 2 A), was man nur bei genauem Hinsehen erkennen kann. Sie bedeutet zur 807 das, was die 1619 zur 6L6 bedeutet und hat auch geringere Leistung und Steilheit als die 807.



1624 und 6TP

Sozusagen das Selbe, nur anders (als die 807), ist die 6TP der italienischen Firma FIVRE mit 6,4 mm- Scheitel- Anodenanschluss, 6- Stift- Sockel und zylindrischem Kolben. 

Einerseits wurde eine 6TP mit Datumsstempel Juli 1941 vorgefunden, während die 807 erst am *24.9.43 in [1] eingetragen wurde, offensichtlich mit erheblicher Verspätung. Es spricht wenig dafür, dass FIVRE mit der 6TP zuerst da war und die 807 die RCA- Antwort auf die 6TP ist, sicher war es umgekehrt.

6BG6G,  AL5 und 4654

Als Zeilenendröhre erschien eine 6BG6G (* 20.7.46), die im wesentlichen eine 6L6G mit Scheitel- Anodenanschluss oder eine 807 ohne Gitter-/ Anodenabschirmungen darstellt.

Auch in Europa befasste man sich mit Endröhren in dieser Leistungsklasse und man brachte zeitgleich oder sogar noch vor der 6L6 die Typen AL5 (* April 1936) und EL5 (* Mai 1936) mit gleicher Charakteristik, aber 1½-facher Heizleistung der 6L6 heraus. Während Telefunken diese Röhren auch als echte Strahlbündel- Röhren baute, wurden sie von Philips natürlich nur als normale Pentoden geliefert. [4;6]

Die 4688 = AL5/375 und die 4689 = EL5/375 (* 26.6.37) sind für bis zu 375 V Anodenspannung geeignete Ausführungen von AL5 und EL5.

Eine Weiterentwicklung hiervon ist die 4654 = EL5/600, die mittels Scheitel- Anodenanschluss bis zu 600 V Anodenspannung betrieben werden kann und dabei im Gegentakt 69 W abgibt. (* 11.10.39) [6]

Bald danach wurde die 4654 durch eine EL50 ersetzt, die dann imstande war, an 800 V im Gegentakt 84 W abzugeben. (* 23.11.40) [7]. Die 4654 erschien auch mit Octalsockel als EL39.

Die Linie von EL5 bis EL50 wurde durch die 1949 erschienene EL34 abgelöst, bzw. verdrängt, die wie die 6L6 ebenfalls heute noch "im Geschäft" und deren stärkste Konkurrentin ist. Allerdings liegt die EL34 an erzielbarer Ausgangsleistung eine Leistungsklasse höher als die 6L6.

EL39, KT66 und EL34

In England, wo das Beam- Power- Tetroden- Prinzip erfunden wurde, begann man auch, Röhren nach dem Vorbild der 6L6 zu bauen. Die bekannteste und der 6L6 ähnlichste Type ist die KT66 (KT = Kinkless Tetrode). In der Heizleistung entspricht sie eher der EL5, ist aber sonst eine echte Strahlbündel- Röhre. (* 1937) [2;5]

Auch die Russen konnten sich für die 6L6 und ihre Abkömmlinge erwärmen. So gab es die Typen 3C  , 7C und Г-807, entsprechend 6L6G, 6BG6G und 807. [8]

3C alt und neu und Г-807

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6V6 : Da die 6L6 für mittlere und kleinere Empfänger zu stark war, war man in den USA in dieser Geräteklasse weiterhin auf Endpentoden wie 6F6 und 6K6 angewiesen. Als Nicht- Inhaber des Pentoden- Patentes, aber Inhaber des BPT- Patentes war dies für RCA ein unerwünschter Zustand.
Daher wurde die Beam- Power- Tetrode 6V6 mit kleinerer Leistung (Pav = 12 W) entwickelt, die als Standard- Endröhre für normale Rundfunkempfänger eingesetzt werden konnte.
Näheres darüber finden Sie hier :
 
Die 6V6 - Familie

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* = frühestbekannte Erwähnung, z.B. in [1; 6; 7]

Literatur:

[1] Electron Tube Registration List, Electronic Industries Association, Washington D.C., USA, 1972.

[2] 70 Years of Radio Tubes and Valves, John W. Stokes, Vestal Press, USA / New Zealand, 1982.

[3] RCA Receiving Tube Manual, Harrison, N.J. , USA, 1947.

[4] Rundfunkröhren, Eigenschaften und Anwendungen, Ludwig Ratheiser, Berlin, 1939.

[5] History of the British Radio Valve to 1940, Keith R. Thrower, England, 1992.

[6] Daten und Schaltungen moderner ... Röhren, 2. Band, Philips' Gloeilampenfabrieken, Eindhoven, 1940.

[7] Desgl., jedoch 3. Band, 1942.

[8] RADIO, Nº 1, 1967, Moskau, UdSSR.