Der DKE38 – so billig wie möglich !
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1938: DKE38 und VE301W-dyn Zur deutschen Rundfunkausstellung 1938 erschienen zwei weitere sog. „politische Empfänger“, der "Deutsche Kleinempfänger 1938" für 35 RM sowie anstelle des bisherigen VE301W nun der VE301W-dyn nunmehr mit dynamischem Lautsprecher zum Preise von RM 65,-. |
(Fortsetzung von "Die deutschen Volksempfänger - wie gut oder wie schlecht waren sie ?")
Der DKE38 – so billig wie möglich !
Während die Entwicklung des VE301dyn im frühen Stadium gestoppt wurde und als unausgereiftes Bastelwerk in die Massenproduktion ging, wurde der „Deutsche Kleinempfänger“ DKE38 weitgehend konsequent nach seinen Zielvorgaben entwickelt, ein minimalen Ansprüchen genügendes Radio zum absolut günstigen Preis von RM 35,- herzustellen. Dabei hatte der niedere Preis Priorität vor der Qualität. In wichtigen Details war die Ausführung so bescheiden, wie sie gerade noch brauchbar, bzw. zumutbar war.
Eine Vorgabe bestand darin, devisenbelastete Rohstoffe so sparsam wie möglich anzuwenden. So wurde statt des Eisenblechchassis des VE301 eine Pertinaxplatte zum Aufbau der Schaltung gewählt, ebenso wurde der Lautsprecherkorb aus einem verfestigten Faserstoff gepresst und beim Lautsprechermagneten konnte eine wesentliche Ersparnis an hochwertigen Magnetstählen erzielt werden. Ferner wurde das Gerät als Allstromempfänger ausgebildet, wodurch der Netztransformator mit seinem Eisen- und Kupferbedarf entfiel.
Die Mängel im Einzelnen:
Die VCL11
Natürlich spielte auch bei der Röhrenbestückung des DKE die Kostenfrage eine entscheidende Rolle. So bot es sich an, im Interesse von Arbeits- und Materialersparnis mehrere Röhrenfunktionen in einem gemeinsamen Kolben unterzubringen.
Nach dem Vorbild der Loewe-Mehrfachröhren wurde für den DKE eine Kombiröhre entwickelt, bei der sich die Audion-Vorstufe und die Lautsprecher-Endstufe in einem gemeinsamen Kolben befinden, - die VCL11.
Im Gegensatz zum vorherigen VE301Wn, dessen Audionvorstufe mit der hochempfindlichen Pentode AF7 bestückt war, musste man sich hier wieder mit einer Triode begnügen, wie schon im alten VE301W. Als Endstufensystem wurde jedoch eine Tetrode erhöhter Empfindlichkeit gewählt, so dass der Nachteil der Vorstufen- Triode z. T. wieder ausgeglichen wurde.
Diese Zusammenfassung von Vor- und Endstufe in einer Röhre führt zwar zu Einsparungen, bringt aber neue Probleme mit sich:
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der Ausgang der Endstufe koppelt auf den Eingang der Vorstufe, wodurch Schwingneigung entsteht,
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die hohe Heiz- Wechselspannung von 90 V koppelt auf die Vorstufe mit der Folge von erhöhtem Netzbrummen.
Durch die unmittelbare Nachbarschaft der beiden Systeme bestehen sowohl direkte elektronische wie auch kapazitive Verkopplungen, was hauptsächlich der Schwingneigung förderlich ist. Ebenso tragen die langen Zuleitungen in Sockel und Quetschfuß zu Verkopplungen bei, wobei sich die 90 V- Heiz- Wechselspannung besonders störend auswirkt.
Auch diese Probleme wurden nur so weit gelöst, wie es gerade noch brauchbar, bzw. zumutbar war. Heul- und Brummstörungen zählen daher bei der VCL11 zu den meist gefürchteten Fehlerquellen. So musste trotz der geforderten Materialersparnis ein 30 pF- Kondensator von Anode nach Gitter 1 der Endstufe geschaltet werden, damit die Röhre nicht von selbst schwingt. Auch ist es unbedingt wichtig, dass die äußere Abschirmung mit Masse verbunden ist, sonst schwingt die Röhre ebenfalls.
Bei der UCL11, die nach dem gleichen Prinzip konstruiert ist, aber für Qualitätsempfänger vorgesehen war, wurde ein erheblicher Aufwand betrieben, alle diese nachteiligen Kopplungen zu vermeiden, was man sich bei der VCL11 weitestgehend ersparte.
Verbesserungsmöglichkeiten der Röhren
1.: Einbau der VCL11 in Stahlkolben
Im gleichen Jahr 1938, als der DKE erschien, wurde auch die Stahlröhrenserie eingeführt, wovon man sich mehrere Vorteile versprach. Der Stahlkolben ergibt die perfekte Abschirmung und es gibt auch keinen Quetschfußaufbau mehr. Dadurch sind die Zuleitungen wesentlich kürzer, die gegenseitige kapazitive Kopplung wie auch die Zuleitungsinduktivität wird reduziert.
Daher erschienen alle empfindlichen Vorstufenröhren als echte Stahlröhren, während man End- und Gleichrichterröhren weiterhin mit Glaskolben und herkömmlichem Quetschfußaufbau baute, aber ebenfalls mit einem Stahlröhrensockel versah.
Obwohl die VCL11 außer dem Endsystem noch eine empfindliche Vorstufe besitzt, wurde trotzdem auch sie nur als Glasröhre mit Stahlröhrensockel hergestellt.
Da die beiden Systeme der VCL11 eine sehr hohe Gesamtverstärkung haben, wäre es gerade für diese Röhre noch wichtiger als bei anderen Röhren gewesen, sie in einen Stahlkolben einzubauen. Damit hätte man die typischen Probleme dieser Röhre sicher umgehen können, was jedoch aus Kostengründen unterlassen wurde.
VCL11 im Stahlkolben ? – Ideal, aber für den DKE natürlich viel zu teuer !
Auch die spätere UCL11 wurde normalerweise nur mit Glaskolben hergestellt, nur in einer kleinen Versuchsserie gab es sie auch mit Stahlkolben (Bild).
2.: Andere Systemaufteilung der Röhren:
Andere Röhrenaufteilung – Schluss mit Heulen und Brummen !
Endstufe + Gleichrichterröhre an einem Stück: VLY11
Die Probleme der VCL11 wären auch durch eine andere Systemaufteilung zu lösen gewesen. Statt Vor- und Endstufe hätte man das Endstufensystem zusammen mit der Gleichrichterdiode in einem gemeinsamen Kolben bauen können, die man dann vielleicht VLY11 genannt hätte. Dazu wäre dann statt der Gleichrichterröhre VY2 eine separate Vorstufenröhre gekommen.
Verbundröhren aus Endstufe + Gleichrichterdiode in einem Kolben arbeiten problemlos und wurden erfolgreich in amerikanischen Billiggeräten eingesetzt. Bekannt sind u. A. die Typen 25A7G, 70L7GT und 117L7GT.
Beim Autor dieses Artikels sind seit Jahrzehnten Geräte mit der 70L7GT ohne Brumm- oder sonstigen Problemen am 230 V-Netz in Betrieb, obwohl diese Röhre nur für 120 V vorgesehen war. *
Damit wären alle Probleme der VCL11 beseitigt: keine Kopplung der Endstufe auf die Vorstufe mehr und keine Brummeinwirkung von 90 V Heizspannung auf das Vorstufengitter, da diese Vorstufenröhre mit 20 – 25 V Heizspannung ausgekommen wäre.
Neue Vorstufenröhre
Statt der Gleichrichterröhre VY2 wäre nun als zweite Röhre eine separate Vorstufenröhre hinzugekommen.
Hier ergeben sich mehrere Möglichkeiten, indem man z. B. als Grundversion eine Triode, gegen Aufpreis zum Betrieb in empfangsschwachen Gegenden eine Tetrode oder eine Pentode hätte vorsehen können, sowohl als Glas- oder als Stahlröhre.
Zunächst hätte man sich aber auch jeglichen Entwicklungsaufwand sparen können, indem man ganz einfach die bisherige Pentode VF7 oder gar die bisherige Triode VC1 weiter verwendet hätte.
Da diese jeweils eine Heizspannung von 55 V haben und man für die fiktive VLY11 mit ca. 95...100 V rechnen müsste, wäre man auf maximal 155 V Gesamt-Heizspannung gekommen. Damit wären bei 110 ÷ 130 V- Netzen zwei Heizkreise parallel notwendig gewesen. Da es aber schon damals in Deutschland ganz überwiegend 220 V- Netze gab, wäre diese Lösung eventuell noch vertretbar gewesen.
Eleganter wäre natürlich eine Vorstufenröhre mit geringerem Heizungsbedarf gewesen, entsprechend dem technischen Stand von 1938. Die damals moderne Stahlröhre EF12 hat die Heizdaten 6,3 V / 0,2 A, eine entsprechende VF12 käme dann bei nur 0,05 A Heizstrom auf ca. 25 V Heizspannung. Statt einer Pentode VF12 wäre auch eine Triode VC11 möglich gewesen.
Allerdings war die Herstellung von Stahlröhren deutlich teurer als von Glasröhren, (auch wenn dies von Telefunken heruntergespielt wurde), so dass eine solche als Vorstufe für den Billigempfänger DKE eher nicht in Frage kam und man sich wohl eher auf modernere Glasversionen festgelegt hätte.
Wie auch bei der VY2 hätte sich als Vorstufen-Glasröhre für den DKE eine kostengünstige und platzsparende Version im 5-poligen Außenkontaktsockel P5 angeboten, so, wie sie von Philips schon 1935 als Autoradioröhren vorgesehen waren, aber nie zur Serienproduktion gebracht wurden.
So wären ähnlich den Typen EF4 und EC1 entsprechende V- Versionen VF4 und VC1 denkbar, mit Heizspannungen mit ca. 23...25 V bei 0,05 A Heizstrom.
Ein Nachteil der Außenkontaktröhren besteht aber darin, dass als Fassungen nur Formteile aus Bakelit möglich sind, aber keine billigen Fassungen aus Pertinax, wie bei Stiftröhren. Demnach wären auch Stiftsockel- Versionen von VF4 und VC1 möglich gewesen, die dann etwa das Aussehen der AB1 gehabt hätten.
Eigentlich ist es verwunderlich, dass man den DKE überhaupt mit Bakelit-Röhrenfassungen ausgestattet hatte ! Um Kosten zu drücken, wären Pertinax-Fassungen viel günstiger gewesen, zumal diese auch ganz in normalen Radios zur Anwendung kamen. Dazu hätte aber mindestens die VY2 mit Stiftsockel ausgestattet sein müssen.
Man hätte im DKE separate Fassungen sogar völlig einsparen können, indem man diese direkt in die „Chassis“- Pertinaxplatte integriert hätte, so wie dies bei Radios um 1930 üblich war. Rückblickend ist es schon fast unverständlich, warum dies nicht gemacht wurde. So wie beim VE-dyn in großem Umfang wurde auch hier eine Rationalisierung versäumt, die ohne Qualitätsverlust eine deutliche Kostenersparnis gebracht hätte.
Kaputtgespart
Zumindest an einer Stelle wurde ganz eindeutig zu viel gespart: der fehlende Strombegrenzungswiderstand vor der Gleichrichterröhre VY2 !
Der Einschalt- und Aufheizvorgang stellt für eine Gleichrichterröhre eine extreme Stress-Situation dar. Zunächst wird nur ein Bruchteil der Katodenoberfläche emissionsfähig, über die dann noch zusätzlich der hohe Ladestrom der Kondensatoren fließt. Diese enorme Stromdichte verursacht einen Verschleiß der Katode.
Bei Wechselstromgeräten sorgt der Innenwiderstand des Netztransformators dafür, dass dieser Ladestrom auf ein erträgliches Maß begrenzt wird. Bei trafolosen Allstromgeräten, wo die Gleichrichterröhre direkt von der Netzspannung gespeist wird, fehlt jedoch dieser Widerstand.
Daher ist es in diesem Fall normalerweise üblich, vor die Anode einen Schutzwiderstand zu schalten, der einen übermäßig hohen Strom verhindert. Auf diesen Widerstand hat man beim DKE jedoch verzichtet, was der Lebenserwartung der VY2 sehr abträglich war.
Zum sicheren Tod der VY2 kommt es, wenn der Ladeelko durchschlägt. Die viel zu starke 0,5 A- Netzsicherung und der fehlende Strombegrenzungswiderstand führen dazu, dass das dünne Metallbändchen, welches in der Röhre die Verbindung zur Katode herstellt, durchschmilzt. Leider ist dieses für Reparaturen unzugänglich und die Röhre wird unbrauchbar, selbst wenn sie noch 100 % Emission hat !
Die VY2 war somit die Röhre mit den geringsten Überlebenschancen und ist daher heute eine der meist gesuchtesten Röhren. Deshalb sollten die Sammler daran interessiert sein, den wenigen noch vorhandenen VY2 das Überleben so sicher wie möglich zu machen.
Vor die Anode der VY2 sollte daher ein Widerstand von mindestens 330 Ω , besser wären 390 oder 470 Ω, ca. 3 W geschaltet werden. Außerdem soll die Netzsicherung von 0,5 A auf 0,1 A verringert werden, damit im Kurzschlussfall diese Sicherung möglichst noch vor dem Katoden- Anschlussbändchen in der VY2 durchschmilzt.
Das Bild zeigt, wie dieser Schutzwiderstand (R3) im Netzteil des DKE eingesetzt wird.
Auch der sehr primitiv konstruierte Netzschalter erreichte meistens keine große Lebensdauer und musste entweder durch einen anderen Schalter ersetzt werden oder wurde einfach überbrückt.
Der Abstimm- Drehkondensator ist eine Spezialkonstruktion des DKE, welcher nicht einfach durch einen beliebiges anderes Exemplar zu ersetzen ist. Er ist bis fast 360° drehbar, wobei von 0 – 180° der Mittelwellenbereich erfasst wird, mit dem Restweg der Langwellenbereich. Auf dem Drehko sitzt der Wellenschalterkontakt, der bei MW durch eine Nocke geschlossen wird. Dieser Drehkondensator ist mit einem festen Dielektrikum ausgestattet wie sonst nur Rückkopplungs-Drehkos. Oft zerbröselt und zerknittert dieses Isoliermaterial, wodurch der Drehko unbrauchbar wird.
Quellen:
Funkschau Heft 35 vom 28.08.1933, S. 267
Funkschau Heft 46 vom 12.11.1933, Titelbild, S. 362
Funk, die Zeitschrift des Funkwesens, Heft 16 vom 15.8.1938, Titelbild, S. 429...432
Funk, Heft 20 vom 15.10.1938, Titelbild, S. 552...553
Hans M. Knoll : "VE301W" aus anderer Sicht
Martin Steyer: „Die deutschen Gemeinschaftsempfänger“;
* FunkGeschichte Nr. 72: Die 3-Röhren-Super-Story
Eine Vorversion dieses Artikels erschien in der Funkgeschichte Nr. 199 Oktober / November 2011.
Neu hinzugekommen ist der Abschnitt „Nachoptimierung“, neu gestaltet wurde der Abschnitt „Verbesserungsmöglichkeiten der Röhren“, darin ist neu „Neue Vorstufenröhre“.