Entwicklungsschritte der Philips Allglas- „Schlüssel-“ Röhren

Veröffentlicht in Allglasröhren, Loktal- und Schlüsselröhren (EF50, 7C5)

Zu diesem Artikel ist zu empfehlen, auch die hervorragende Seite „The EF50, the Tube that helped to Win the War“ zu lesen, wie auch „All Glass- Valves – new method of valve construction“ .

Aus diesen und anderen Quellen konnten neue Erkenntnisse über den zuvor unerklärlichen und verwirrenden Verlauf der von Philips in 1940er Kriegsjahren erschienen Röhren gewonnen werden. 

°~~~~~~~~~~~~~~°~~~~~~~~~~~~~~°~~~~~~~~~~~~~~°~~~~~~~~~~~~~~°

EC52, EC54, EE50, EF50, EF52, EF54, EF55, EF59, EFF50, EFF51, EFP60

Zum Ende der 1930er Jahre wurde die Entwicklung des Fernseh- Rundfunks vorangetrieben. Hierzu waren Röhren notwendig, die eine hohe Verstärkung von breitbandigen Signalen im 50 MHz- Bereich liefern konnten. Die bis dahin üblichen Röhren mit Quetschfußaufbau waren hierzu ungeeignet.

Während Telefunken zu diesem Zweck die Stahlröhre EF14 herausbrachte, entwickelte Philips hierzu die Allglas- Röhre EF50, mit deren Pressglasboden sehr kurze Zuleitungen ermöglicht wurden. Mit der Festlegung auf 9 Kontakte wurden die Möglichkeiten zukünftiger Entwicklungen in Betracht gezogen. 

Diese 9-Stift- Allglas- Röhre EF50 durchlief mehrere Entwicklungsschritte, einschließlich der dazugehörigen Fassungen.

Bei einer frühen Version, vermutlich gegen Ende d. J. 1937, waren die Stifte L-förmig nach innen gebogen, wie hier ersichtlich, auch hatte die Röhre noch eine Gitterkappe, wie bis zu dieser Zeit üblich. Leider konnten nirgends Informationen über die zugehörigen Fassungen gefunden werden, außer einer Andeutung, dass auch in dieser Version die Röhre nach dem Einstecken um ca. 5° nach rechts gedreht werden muss, um in einer Art Bajonettverschluss einzurasten, wie weiter unten beschrieben.

   

Da aber zu dieser Zeit Telefunken die Stahlröhren-Serie herausbrachte, die ohne Gitterkappen auskamen, mussten auch bei den neuen Philips- Allglas- Röhren der Gitteranschluss nach unten verlegt werden. 

Weil in England bereits Fernsehsendungen stattfanden und somit ein potentieller Absatzmarkt für die EF50 bestand, wurde diese zunächst dort über die Philips-Tochterfirma Mullard der Öffentlichkeit vorgestellt.

In Deutschland, wo ebenfalls schon Fernsehprogramme gesendet wurden, bestanden wegen des de-facto Telefunken- Monopols keine Absatzchancen.

 

 

Auf der Zeichnung kann man deutlich den Glasboden mit den hakenförmigen Stiften sehen. Mit dem eher kleinen System in dem großen Kolben war die Raumausnutzung nur gering, verglichen mit späteren Röhren, z. B. der EF94 (6AU6) mit nur unwesentlich geringer Steilheit.

Wenn man von Spezialröhren, z. B. Wehrmachtsröhren absieht, war dies der Anfang der Allglas- Röhren in Europa für zivile Zwecke (heute Consumer- Elektronik genannt), die Jahrzehnte später mit Noval-, Dekal- und Magnovalröhren endete, die auf dieser Basis weiter entwickelt wurden.

 Sh.auch: (The Wireless Engineer March / May 1939)

 

 

Zunächst erhielten die Philips- Allglas- Röhren eine Spray-Metallisierung als Abschirmung wie schon zuvor die Rote Serie und die A- und C- Serie (Februar 1938).

Man fand jedoch heraus, dass dieser Abschirmbelag bei höheren Frequenzen ungeeignet war. Ferner erwies sich, dass diese gebogenen Stifte den Glasboden der Röhre zu sehr beanspruchten, weshalb man wieder zu geraden Stiften überging. (Frühjahr 1939).

Zur perfekten Abschirmung erhielten diese Röhren eine Metallkapsel und eine Metall-Bodenplatte mit Durchführungen für die Anschlussstifte sowie einem Suchzapfen zum erleichterten Einstecken der Röhre.

Dieser Sockel erhielt später von Philips die Bezeichnung B9G.

Folgende Typen dieser Serie wurden als MG- Versionen, also Glaskolben in einer Metallkapsel, gebaut: EC54, EE50, EF50, EF52, EF54, EF55, EF59, EFP60.

Röhren, deren Glaskolben in einer Metallkapsel untergebracht ist, gab es zuvor schon in der Octal-Serie, mit dem Suffix MG in der Bezeichnung, aber auch noch früher bei französischen Militärröhren mit Europasockel. 

 

Röhren mit Bajonettverschluss ("plug & twist & lock")

- „Schlüsselröhren“ -

Um die Röhre in der Fassung zu halten, ging man hier einen anderen, für diese Stiftzahl ungewöhnlichen Weg, indem man in der Fassung eine Art Bajonettverschluss vorsah.

Hierzu wurde der Suchzapfen in der Mitte des Röhrenbodens mit einer Führung ähnlich dem Bart eines Schlüssels (1) (bzw. „Hakennase“) ausgestattet, der von einer Buchse in der Fassung aufgenommen wird.

Wegen der Ähnlichkeit dieses Suchzapfens mit einem Schlüsselbart wurde diese Röhrenart „Schlüsselröhren“ genannt, obwohl man später von dieser Bauart weitgehend abging und dann kaum noch an einen Schlüssel erinnerte.

Zum Einstecken in die Fassung muss die Röhre so lange gedreht werden, bis dieser Schlüsselbart in der Nut in der Fassung einrastet. 

Dann wird die Röhre heruntergedrückt und um ca. 5° nach rechts gedreht.

Unter den entsprechenden Langlöchern im Oberteil der Fassung befinden sich Kontaktfedern, in welche die Stifte durch die Rechtsdrehung der Röhre einrasten und somit der elektrische Kontakt hergestellt wird.

Sehr wahrscheinlich wurde von einem Ignoranten durch das gewaltsame Herausreißen einer eingerasteten Röhre die hier gezeigte Fassung beschädigt, wodurch u. A. eine Kontaktfeder fehlt. Dadurch ist jedoch an dieser Stelle das Langloch besonders gut sichtbar. Es war allerdings schon ein außergewöhnlicher Glücksfall, diese Fassung überhaupt zu erhalten.

Lange wurde darüber gerätselt, wie aus einer Fassung, an der nie ein Anschluss angelötet war, offensichtlich gewaltsam eine Röhre heraus gerissen werden konnte.

Bei der Recherche wurde die sehr wahrscheinliche Lösung gefunden:

zu dem kanadischen Wireless Set No. 19 Mark III, ein WWII Militär-Transceiver, gab es einen „Case Spare Valves“, also einen Ersatzröhrenkasten. 

In diesem Blechkasten befand sich ein herausnehmbares Chassis, das voll mit Röhrenfassungen bestückt war, worin insgesamt 15 Röhren der Typen 6B8G, 6H6, 6K7G, 6K8G, 6V6G, 807, E1148 und eine EF50 steckten. Hierbei handelte es sich um hochwertige Bakelit-Fassungen, - (welch eine Verschwendung !), nur für die EF50, die unter dem Chassis quer eingebaut war, wurde die hier beschriebene Pertinax- Fassung mit Bajonettverschluss verwendet.

Jemand, der wohl später einen solchen Ersatzröhrenkasten kaufte, entnahm dessen Röhren, was bis auf die EF50 kein Problem war. Leider kannte er den Bajonett-Trick dieser Fassung nicht, bei der nur durch ziehen alleine die Röhre sich nicht herauslösen ließ. So wurde wohl der Schraubenzieher als Röhrenzieher angesetzt und die Röhre gewaltsam ausgehebelt. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese dabei überlebte, dürfte nicht sehr groß gewesen sein. 

Das Bild zeigt die Fassung von unten mit einer eingesteckten, aber noch nicht gedrehten Röhre. Der Schlüsselbart befindet sich noch in der Nut (1) und die Stifte der Röhre (2) sind noch nicht in die Kontaktfedern eingerastet .

 

 
 

Durch die Drehung der Röhre bewegt sich dieser Schlüsselbart von der Nut in der Pertinaxplatte weg, wodurch die Röhre unter der Fassung ähnlich wie ein Schlüssel in einem Schloss gehalten wird.

Im Bild ist die Röhre nun um 5° gedreht. Der Schlüsselbart (1) befindet sich nun neben der Nut (3) und die Stifte sind jetzt in den Kontaktfedern eingerastet (2). Die Röhre ist jetzt verriegelt.

 

In der Buchse der Röhrenfassung befindet sich eine Feder (Pfeil), welche den Führungszapfen der Röhre nach oben gegen die Verriegelung drückt, womit diese gehalten wird. Mit dieser Arretierung glaubte man, dass die Röhre gegen Herausfallen gesichert wäre.

 

 

Das Bild zeigt die Fassung mit eingerasteter Röhre. Der Schlüsselbart (1) ragt seitlich aus der Führungsbuchse heraus.

Das gerade Ende der Feder in der Führungsbuchse ist im Boden dieser Buchse verlötet und nach außen geführt und dient als Masseanschluss (2) .

Als eine gelungene und betriebssichere Konstruktion kann man die Pertinax- twist & lock- Fassungen sicherlich nicht bezeichnen.

 

 

 

Der Schlüsselbart wird im verriegelten Zustand nur gegen die Pertinaxplatte gedrückt, wodurch deren schneller Verschleiß oder gar Zerstörung bei häufigerem Röhrenwechsel erfolgt. Eine Verbesserung wäre möglich gewesen, wenn man stattdessen den Rand der Metall- Führungsbuchse hierzu vorgesehen hätte.

Die Drehbewegung zum Einrasten in die Kontaktfedern ist sehr leichtgängig. Wegen der seitlichen Druckbelastung der Stifte auf das Glas traute man sich wohl nicht, die Kontaktfedern für einen höheren Kontaktdruck auszulegen. Dadurch ist aber keine dauerhaft sichere Kontaktgabe gewährleistet.

Zudem ist Pertinax für die vorgesehenen hohen Frequenzen ungeeignet, wie auch die gesamte Konstruktion der Fassung aus zwei zusammengenieteten Pertinaxplatten als minderwertig erscheint.

 

Die Masseverbindung der EF50-Abschirmung wird nur über den Führungszapfen hergestellt. Dieser hat aber nur mit der Feder in der Buchse einen halbwegs sicheren Kontakt, wobei die Windungen dieser Feder eine Induktivität darstellen, die für 50 MHz schon bedeutend ist. Ansonsten sitzt der Führungszapfen nur lose in der Buchse, so dass nur ein sehr zufälliger und unsicherer Massekontakt besteht. 

Diese Röhrenfassung ist allgemein, aber ganz besonders für die hohen Frequenzen, wofür die EF50 vorgesehen war, eine Fehlkonstruktion. Man gewinnt den Eindruck, dass Philips nicht besonders viel Aufwand in die Weiterentwicklung der UKW- Röhrentechnik steckte und die Entwicklung geeigneter Fassungen an Leute vergab, die von den Anforderungen bei UKW keine Vorstellungen hatten.

 

Die Wende

Obwohl für Fernseh-Zwecke entwickelt, wurde die EF50 von der britischen Militärindustrie schon früh als sehr gut geeignete Röhre für Radar ZF- Verstärker und andere Geräte entdeckt.

Daher hatte der zu dieser Zeit ausgebrochene zweite Weltkrieg einen weitreichenden Einfluss auf die Produktion der Philips- Allglas- „Schlüssel“- Röhren.

Vor dem Krieg wurden die EF50 und Einzelteile davon bei Philips in Holland hergestellt und nach England exportiert und dort von Mullard endgefertigt und verkauft. Wegen des dringenden Bedarfs durch das britische Militär wurde im Mai 1940, kurz vor der Invasion Hollands durch Hitlers Wehrmacht, der gesamte Bestand an EF50 und Einzelteilen sowie die Produktionsanlagen in einer Eilaktion nach England gebracht.

Im Verlauf des Krieges wurde die EF50 beim britischen Militär in Riesenmengen eingesetzt. Sie wurde daher von mehreren Firmen in England, Kanada und USA hergestellt. 

 

Bessere Fassungen

Da die Pertinax- twist & lock- Fassungen für einen zuverlässigen Betrieb unbrauchbar waren, mussten für den rauen militärischen Einsatz andere, entsprechend robuste Ausführungen geschaffen werden.

Hier sieht man eine hochwertige Keramik B9G Fassung. Der "plug-in & twist & lock" Bajonettverschluss wurde verlassen, so dass die Röhren nur noch wie normal üblich eingesteckt wurden. Da die Stifte nicht mehr seitlich gedreht werden müssen, konnte der Druck der Kontaktfedern merklich erhöht werden. 

 

Zum festen Sitz der Röhre in der Fassung trägt wesentlich eine Spange (4) in der Führungsbuchse bei, die den Führungszapfen festklemmt.

Diese Spange rastet auch in der Rille (2) des Führungszapfens ein, so dass die Röhre auch bei starker Vibration nicht aus der Fassung gerüttelt werden kann. Gleichzeitig stellt diese Spange eine sichere Masseverbindung dar.

 

Nachdem in militärischen und professionellen Geräten keine Fassungen mehr mit Bajonettverschluss verwendet wurden, wurde der bisher kurze Schlüsselbart (Hakennase) nunmehr bis zum Sockelboden durchgezogen (1), wie man am Beispiel dieser EF55 (CV173) sehen kann.

Noch später verkleinerte man den früheren Schlüsselbart zu einer schmalen Führungsleiste, die zum richtigen Einsetzen der Röhre völlig ausreicht. Auch besteht der Führungszapfen nun nicht mehr aus Druckguss, sondern aus tiefgezogenem Blech.

Obwohl die Ähnlichkeit zu einem Schlüsselbart nun weitestgehend verloren ging, wurde der Begriff „Schlüsselröhren“ weiterhin beibehalten.

 

Bei späteren Neuentwicklungen von B9G Röhren für militärische Zwecke verzichtete man darauf, die Röhre wie bisher komplett in eine Metallkapsel einzubauen, wie bei dieser EFF51 zu sehen ist. Stattdessen ging man dazu über, das Röhrensystem innerhalb des Kolbens mit einem Streckmetallkäfig abzuschirmen, wie es auch bei Röhren der Unterhaltungselektronik eingeführt und bis zum Ende der Röhrenproduktion beibehalten wurde.

Nur die beiden Typen EFF50 und EFF51 dieser Serie wurden mit diesem Metallkäfig im Kolben ausgestattet, die anderen entweder in „MG“- bauweise, sh. oben, oder völlig ohne Abschirmung, wie die EC52 oder die Nachkriegstypen EL60, EL61 und EW60.