Sender Europe 1 - Sendeanlage Felsberg 2015 - 2019

Veröffentlicht in Saarländische Firmengeschichten

In diesem Beitrag wird hauptsächlich der technische Stand des Senders Europe 1 bei Felsberg nahe Saarlouis dargestellt, wie er nach der Modernisierung 2014 / 2015 bis zur Abschaltung Ende 2019 bestand.

Die gesamte geschichtliche Entwicklung ist sehr ausführlich auf der Web-Seite „Saar-Nostalgie“ dargestellt.
Dort sollte man [Radio-TV] wählen, dann [LW-Sender Europe № 1] und [Antennen von Eur.1], sehenswert ist auch [MW-Sender Heusweiler] und [Geschichte d. Saar-Rundfunks]

 

Nach dem verlorenen Krieg wurde vom Kopenhagener Wellenplan für Deutschland keine Langwellenfrequenz mehr zugesprochen. Trotzdem wurde in der DDR der „Deutschlandsender“ auf dem damaligen Frequenzkanal 182 kHz in Betrieb genommen.

Ebenfalls nach dem Krieg wurde das Saarland als teilautonomer Staat und eine Art französisches Protektorat etabliert und war von der Bundesrepublik Deutschland unabhängig.

Da nach dem Krieg privater Rundfunk in Frankreich verboten wurde, hatten clevere Geschäftsleute die Idee, im Saarland nach dem Vorbild von Radio Luxemburg, einen privaten Langwellensender, damals „Europe Numero 1“ genannt, zu errichten, um ein kommerzielles Programm nach Frankreich zu senden.

Eine offiziell zugeteilte Frequenz gab es nicht, um eine solche zu ersuchen, dachte man wohl schon gar nicht erst und man hätte diese wohl auch so leicht nicht erhalten. So begannen die Betreiber von Europe 1 in bester Piratensender-Manier, Versuche auf verschiedenen Langwellenfrequenzen auszuführen, die jedoch alle zu Störungen anderer Sender führten.

Ab dem Jahr 1955 entschloss man sich, auf der Frequenz 182 kHz zu senden, obwohl hier schon der DDR- Deutschlandsender aktiv war, aber diese Frequenz ohne Zuteilung nutzte.

Da damals schon der kalte Krieg herrschte, war abzusehen, dass im Westen sich niemand dafür einsetzte, den DDR- Deutschlandsender vor Störungen durch Europe 1 zu schützen, im Gegenteil, war es von manchen Kreisen wohl gar nicht mal unerwünscht, dass der Deutschlandsender in weiten Teilen von Westdeutschland gestört oder unhörbar gemacht wurde. Es ist gut möglich, dass den Europe 1- Betreibern von westdeutscher Seite der Tipp gegeben wurde, diese Frequenz zu verwenden.

Um sich nicht zu sehr gegenseitig zu stören, einigte man sich darauf, beide Sendefrequenzen leicht gegeneinander zu verschieben. Um 1960 sendete Europe 1 auf 180 kHz, der „Deutschlandsender“ auf 185 kHz. Daraus ergab sich in Gegenden, wo beide Sender etwa gleichstark empfangbar waren, ein schriller 5 kHz- Überlagerungs-Pfeifton.

Als in den späten 1970er Jahren der neue Genfer Wellenplan in Kraft trat, wurden alle LW- Frequenzen um 2 kHz nach unten verschoben. Der bisherige Frequenzkanal 182 kHz änderte sich daher auf 180 kHz. Daraufhin wechselte Europe 1 auf 183 kHz und der dann „Stimme der DDR“ genannte Sender der DDR ging auf 177 kHz. Der Überlagerungston war dann 6 kHz und etwas weniger Schrill.

Europe 1 begann im Jahr 1955 mit der damals beachtlichen Leistung von 400 kW, die in mehreren Etappen bis 1976 auf 2000 kW gesteigert wurde.

 

Lageplan des Senders Europe 1, wie er bis zum Jahr 2012 bestand. S = (alte) Sendehalle, 1 – 4 = Sendemasten der früheren Hauptantenne.

Um möglichst viel Sendeenergie nach Frankreich und möglichst wenig in Richtung DDR zu strahlen, wurde eine aufwendige Richtantenne konstruiert. Diese bestand aus 4 Masten, die im Viertelwellen-Abstand in südwestlicher Richtung angeordnet waren. Durch entsprechende Leistungs- und Phasenzuordnung je Mast konnte ein etwa brezelförmiges Strahlungsdiagramm erzielt werden, das den französischen Sprachraum optimal abdeckte.

Am 08.08.2012 knickte vom Mast 2 (Zählweise von hinten nach vorn in Senderichtung) der obere Teil ab, wodurch die gesamte 4-Mast- Antenne nicht mehr nutzbar war und der Sendebetrieb mittels der aus zwei Masten bestehenden Reserveantenne aufrechterhalten wurde.

Da Europe 1 in Frankreich inzwischen ein UKW- Sendernetz aufgebaut hatte, erachtete man den Betrieb des Langwellensenders inzwischen als weniger wichtig und man entschloss sich, den Mast nicht mehr zu reparieren und stattdesen nur noch mit den beiden Masten 3 und 4 zu senden. Der nun einzelstehende Mast 1 war nicht mehr in den Richtstrahlbetrieb zu integrieren.

Am 19. November 2012 wurde der Rest des zerstörten Mastes gesprengt und am 13.06.2013 wurde dann auch Mast 1 gesprengt, so dass von dem bisherigen 4-Mast-Array nur noch Mast 3 und Mast 4 übrig blieben.

Danach wurden Mast 3 und Mast 4 auf ein Zweimastsystem konfiguriert, was vermutlich nicht zufriedenstellend funktionierte, - denn alsbald wurde von Europe 1 die BCE (Broadcasting Center Europe), bisher technischer Dienstleister von RTL, mit dem Sendebetrieb auf dem Felsberg beauftragt.

 

Die alte Sendehalle S, von welcher der frühere Sender am 19.10.2015 um 8.21 Uhr für immer abgeschaltet wurde. Danach wurden auch alle HF-Speiseleitungen (Feeder) entfernt.

[Durch Anklicken der zweiten Maustaste und „Grafik anzeigen“ erhält man das Vollbild]

 

von links: Feederträger und Abstimmhäuschen des ehemaligen Masts 2, Betriebsgebäude, Betonturm für ehemals TeleSaar TV, Sendehalle.

 

Neues Sendegebäude an bisheriger Reserveantenne

Statt weiter aus der bisherigen Sendehalle und der nur noch aus 2 Masten bestehenden bisherigen Hauptantenne zu senden, entschloss sich BCE, auf dem Gelände der bisherigen 2-Mast- Reserveantenne ein neues Sendegebäude zu bauen, das nur etwa so groß wie ein Einfamilenhaus ist und die bisherige Reserveantenne nunmehr als Hauptantenne zu verwenden. Umgekehrt wird jetzt Mast 3 der früheren Hauptantenne als Notantenne verwendet, Mast 4 hat nun keinerlei HF- Verbindung mehr nach außen, arbeitet also nur noch passiv.

Vermutlich war das Signal über die verbliebenen Altmasten 3 und 4 schlechter als über die bisherige Reserveantenne, so dass man sich zu diesem Umzug entschloss.

Die nordwestlich der Hauptantenne liegende 2 Mast- Reserveantenne wurde in den 1970er Jahren gebaut.

 

Neues Sendegebäude T, Rückseite, vom Weg aus gesehen.

Während der Bauzeit 2014/2015 wurde verbreitet, dass BCE hier exakt die gleiche Anlage installiert, wie sie auch für RTL in Beidweiler (Luxemburg, 234 kHz) in Betrieb ist.

Der RTL Langwellensender in Beidweiler hat eine Sendeleistung von 1500 kW, die von 2 Stück 750 kW- Transradio- Blöcken geliefert wird. Demnach bestand zunächst die Annahme, dass der neue Europe 1- Sender ebenfalls 1500 kW hat. Auf der BCE- Webseite wurde jedoch nur 750 kW Sendeleistung für Europe 1 angegeben, also wurde auch wohl nur ein 750 kW- Transradio- Block installiert.

Auf einer von BCE im April 2019 ausgestellten QSL-Karte wird bei einer Empfangszeit von 3:08 UTC sogar nur noch 375 kW als Sendeleistung angegeben, also wurde zumindest spät nachts mit dieser nochmals verringerten Leistung gesendet.

 

Gesamt-Lageplan des Senders Europe 1, wie er von 2015 bis 2019 bestand: T = neues Sendegebäude, 5 – 6 = Sendemasten der in den 1970er Jahren gebauten Reserveantenne. Lage des neuen Sendegebäudes: 49°17'06.59" N 6°39'30.78". Das Gelände der Masten 5 und 6 liegt sehr dicht an der Staatsgrenze zu Frankreich. Ein Pardunenanker von Mast 6 ist nur wenige Meter von der Grenze entfernt.

Die Antennenmasten 5 und 6, die früher als Reserveantenne dienten, arbeiten nun als Hauptantenne. T ist das neue Sendegebäude, wovon über die Feeder-Leitungen f und g die beiden Masten 5 und 6 einspeist werden.

Der Feeder d führt rückwärts über Feeder e zum alten Mast 3, der nun als Notantenne dient.

Die Feeder f und d waren früher an einem Stück und stellten die Verbindung von der alten Senderhalle zur Reserveantenne dar.

Nun wurden sie unterbrochen, um von dem neuen Sendegebäude im Normalbetrieb auf die ex-Reservemasten 5 und 6 arbeiten zu können, oder im Notbetrieb in umgekehrter Energierichtung zum alten Mast 3.

 

Detailansicht der neuen Sendeanlage ab 2015.

 

Konfiguration ab 2015 der verbliebenen Altmasten 3 und 4. Die beiden ehemaligen Feeder a stellten früher die Einspeisung der Masten 3 und 4 von der alten Senderhalle S dar, Feeder b die Einspeisung von Mast 4. Die HF-Kabel wurden alle demontiert, es stehen nur noch die leeren Träger.

Der ebenfalls demontierte Feeder c stellte früher zusammen mit dem Feeder d die Einspeisung der Reserveantenne von der alten Senderhalle dar.

Jetzt stellen Feeder- Teil d mit dem neuen Teil e die Einspeisung des nun als Notantenne dienenden Mast 3 dar. Mast 4 hat nun keinerlei HF- Verbindung mehr nach außen, arbeitet also nur noch passiv.

Von der alten Sendehalle wurden alle HF- Speiseleitungen entfernt.

Es empfiehlt sich auch, auf z. B. Google-Earth folgende Positionen zu beobachten:

Sendegebäude neu: 49°17'06.59" N 6°39'30.78" O

Antennen alt: 49°16'45.16" N 6°40'25.86" O

 

Panorama: links alte Senderhalle, Altmaste 3 und 4, rechts das neue Sendegebäude T.

 

Neues Sendegebäude T, Seitenansicht mit Traforäumen. Im Hintergrund Maste 5 und 6, - die bisherige Reserveantenne.

 

Detailaufnahme Sendegebäude T, Türen Traforäume. Man sieht u. A. die Traforäume Tx1 und Tx2, was auf 2 Sendeblocks rückschließen lässt. 0,21 kV, allerdings Gleichspannung, ist die typische Betriebsspannung für Transradio- Halbleiter- Sendermodule.

Leider fehlen jegliche Leistungsangaben, so dass man über die tatsächlich installierte Leistung nur spekulieren kann. Denkbar wäre, dass die Anlage tatsächlich für 1500 kW konzipiert, aber zunächst nur auf 750 kW ausgebaut wurde, und, nachdem man dies als ausreichend ansah, es dabei beließ.

 

Neues Sendegebäude T mit 2 HF- Ausgängen, links über Feeder f nach Mast 5 und 6, rechts über Feeder d nach Mast 3. Der leere Feederträger in der Mitte ist ein Überbleibsel, als Feeder d und f noch durchgängig an einem Stück waren.

 

rechts neues Sendegebäude T mit 2 HF- Ausgängen, links Feeder d und f, dahinter Mast 5

  von rechts: neues Sendegebäude T, ab 2015 aktive Maste 5 und 6. Im Vordergrund (im Bild unten) Feeder d in Richtung Mast 3.

 

Detailaufnahme: rechts neues Sendegebäude T, links Mast 5 dazwischen Feeder f. Im Vordergrund Feeder d in Richtung Mast 3.

 

Feeder d in Richtung Mast 3.

 

Feederträger d mit Warnschild, trotz Grenznähe nur in deutscher Sprache.

 

Feeder d in Richtung Mast 3.

 

Feeder d, Winkel-Umlenk-Träger

 

Feeder d in Richtung Mast 3, im Hintergrund ganz links Mast 3, rechts Mast 4.

 

links Abstimmhäuschen und Feederträger von Mast 3 mit neuem Feeder- Teil e für Notbetrieb, im Vordergrund rechts leere Feederträger a, im Hintergrund rechts Maste 5 und 6.
Das im Hintergrund zu sehende Windrad steht schon auf französischem Gelände (gilt für alle Bilder).

 

Alte Antennenanlage, im Vordergrund Mast 3 mit neuem Feeder- Teil e als Notbetrieb, im Hintergrund (links) Mast 4.

Mast 3 erhielt schon Jahre vor dem Bruch von Mast 2 als Besonderheit eine Parduneneinspeisung, die restlichen Maste die übliche Fußpunkteinspeisung.

Aus dem Abstimmhäuschen verläuft ein Kabel nicht mehr zum Mastfuß, der geerdet wurde, sondern zu einem Stützpunkt-Isolator, (Pfeil im Bild). Von diesem gehen 3 Kabel sternförmig schräg nach oben zu den Pardunen.

Diese Konfiguration wurde nach Mastbruch und Umrüstung auf 2-Mastbetrieb beibehalten und wäre wohl nur kostspielig rückgängig zu machen gewesen. Ob dies vielleicht der Grund war, die Maste 3 und 4 nicht mehr für den neuen Sender zu verwenden ?

Andere Perspektive der Parduneneinspeisung.

 

Vorn Straße L351 mit Mast 3 direkt daneben, im Hintergrund Maste 5 und 6,.
Auch hier sind die nach oben zu den Pardunen verlaufenden 3 Kabel gut zu erkennen.

 

Mast 4 der alten Antennenanlage mit leerem Feederträger. Die Kabel wurden demontiert, Mast 4 hat nun keinerlei HF- Verbindung mehr nach außen, funktioniert also nur noch passiv. Eine in der Funktechnik eher unübliche Betriebsart: ein aktiver Strahler mit Parduneneinspeisung und davor ein passiver Strahler als Direktor.

Zuvor wurde Mast 4 auch schon mit nur maximal 2% Sendeenergie eingespeist, jetzt mit nur noch 0 %.
Das Strahlungsdiagramm dieser Konfiguration wäre interessant zu sehen.

 

Der nicht mehr eingespeiste Mast 4. Er steht auf einer Hanglage, 15 m tiefer als Mast 3, danach fällt das Gelände noch weiter ab. Auch dies könnte der Grund für eine schlechtere Abstrahlung als über die bisherigen Reservemasten 5 und 6 sein.

 

Im Vordergrund Mast 3 der alten Antennenanlage, leere Feederträger b zu Mast 4, im Hintergrund die alte Sendehalle S,

 

arbeitslose Bauteile Feederträger und Abstimmhäuschen des ehemaligen Masts 1 (rechts).

 

 Früherer Haupteingang zur Sendehalle von der Zufahrtsstraße aus Felsberg. Dahinter Feederträger und Abstimmhäuschen des ehemaligen Masts 1.
Location: 49°17'06.59" N 6°39'30.78" O

 

Das Ende

Nun wurde nach 65 Jahren der Betrieb des Langwellensenders zum 31.12.2019 beendet.

Es stellt sich die Frage, warum man im Jahr 2014 den Betrieb der LW- Frequenz 183 kHz für noch so lukrativ fand, um einen komplett neuen Hochleistungssender einschließlich Gebäude aufzubauen, diesen aber nach 4 Jahren und knapp 2 Monaten Betrieb wegen angeblicher Unwirtschaftlichkeit wieder schließt ?

Durch den Aufbau eines UKW- Sendernetzes in Frankreich schuf sich Europe 1 eine Konkurrenz zum Angebot über Langwelle. Statt diesen Verbreitungsweg komplett aufzugeben, hätte man vielleicht über die Langwelle ein alternatives Programm anbieten können und damit zusätzliche Hörer erreicht. In Gegenden, wo die UKW- Versorgung schlecht ist, hätte man so noch weiterhin die Hörer halten können, die nun verloren sind. In den französischsprachigen Teilen von Belgien und der Schweiz gibt es keine UKW- Versorgung, so dass die dortigen Hörer nicht mehr erreicht werden.

Grundsätzlich bestand hier das gleiche Problem wie bei den öffentlich-rechtlichen Sendern in Deutschland, wo über die AM- Sender das gleiche Programm gesendet wurde wie auch über UKW, weshalb die AM- Sender kaum noch gehört wurden. Dies wurde über sehr lange Zeit aufrecht erhalten, da wegen den Rundfunk- Zwangsgebühren kein Anreiz zu Wirtschaftlichkeit bestand. Bei einem Privatsender wie Europe 1 wird natürlich viel mehr auf das Geld geschaut und man beendet den Betrieb, wenn man glaubt, das dieser nicht mehr wirtschaftlich ist.