Röhren 1927 - 1933 in Europa, Intro
Röhren werden erwachsen – indirekt geheizte Röhren für Netzbetrieb und Mehrgitterröhren
Vor 1927 zählen neben der allmählichen Verbesserung der Konstruktion die Einführung der Barium-Oxyd- Katode sowie die sichere Produktion von Hochvakuum- Röhren mittels Getterung zu den wenigen großen Fortschritten der Röhrentechnik.
Ab 1927 begann ein steiler Anstieg der Röhrenentwicklung insbesondere mit der Einführung indirekt geheizter Röhren sowie der Mehrgitterröhren.
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Indirekt geheizte Röhren:
In der Frühzeit der Radiotechnik wurden Funkempfänger ausschließlich mit Batterien betrieben, sowohl als Quelle für die Anodenspannung wie auch zur Heizung. Wegen den hohen Heizströmen, besonders bei Wolfram- Katoden, wurden überwiegend Akkus verwendet.
Dieser Batteriebetrieb war umständlich und kostspielig und war für die weitere Verbreitung des Rundfunkempfangs hinderlich.
Es war daher sehr erstrebenswert, Radios am Lichtnetz zu betreiben.
Mit den bisherigen direkt geheizten Röhren war die Heizung mit Wechselspannung aus dem Lichtnetz mit mehr als einer Verstärkerstufe nicht möglich, da dies unerträgliche Brummstörungen zur Folge hätte. Die Heiz- Wechselspannung über dem Heizfaden überlagert sich mit der Gitter- Steuerspannung, was sich auch durch Symmetrierung nicht völlig beseitigen lässt.
Auch an die Erzeugung der Anodenspannung aus dem Wechselstromnetz dachte man lange Zeit nicht, da es noch nicht einmal Gleichrichterröhren gab.
Nur an den weniger verbreiteten Gleichstrom- Lichtnetzen war der Betrieb noch relativ einfach möglich, indem die Netzspannung direkt als Anodenspannung diente und die Heizfäden der Röhren in Reihe geschaltet und über einen Vorwiderstand auch an der Netzspannung betrieben wurden.
Da das Wechselstromnetz sich viel stärker ausbreitete als das Gleichstromnetz und dieses allmählich verdrängte, entstand ein Bedarf an Röhren, die am Wechselstromnetz betrieben werden konnten.
Verschiedene Firmen, auch Philips und Valvo, entwickelten Röhren mit niedriger Heizspannung von 1 Volt und weniger, um diese Brummstörungen zu vermeiden. Dabei wurde jedoch nur eine Veringerung, aber nicht eine zufriedenstellende Beseitigung des Problems erreicht.
Die endgültige Lösung bestand darin, die Heizung von der emittierenden Katode zu trennen, es entstand die
indirekte Heizung.
Erste Labor- und Kleinserien von indirekt geheizten Röhren wurden im Laufe der 1920er Jahre produziert, der große Durchbruch erfolgte weltweit jedoch erst im Jahre 1927.
Die eigentliche Katode besteht hierbei aus einem Nickelblechröhrchen, das die emittierende Oxydschicht trägt, wobei dieses Röhrchen von einem darin befindlichen Heizdraht erwärmt wird.
Die Heizdaten dieser frühen indirekt geheizten Röhren bewegten sich überwiegend im Bereich 3,8 - 4 V, Heizstrom 1 – 1,1 A, entsprechend einer Heizleistung von etwa 4 – 4,4 W, ungeachtet ob Vor- oder Endstufenröhre.
Kleinere oder dünnere Katodenröhrchen konnte man zunächst nicht herstellen, und um diese auf die erforderliche Temperatur zu bringen, war diese Heizleistung notwendig.
Es ist kein plausibler Zusammenhang zu erkennen, warum für verschiedene Röhrentypen als Heizstrom jeweils 1 A oder 1,1 A angegeben wird.
Besonders absurd ist die Heizstromangabe 1,2 A der Triode REN914, die bei dem vorgesehenen Betrieb als Widerstands- Verstärker einen Anodenstrom von ca. ⅓ mA führt !
Bei den Paralleltypen Philips E499 und Valvo W4110 wird jeweils Heizstrom If = 1 A angegeben !
Es dauerte bis zum Jahr 1934, bis man indirekt geheizte Katoden mit weniger als 4 W Heizleistung herstellen konnte.
Die ersten Röhren mit den Heizdaten 4 V; 0,65 A, entsprechend der Heizleistung 2,6 W, waren die Typen AB1 und AK1.
Nur 2 Jahre später erschien von Philips die Rote Serie, worin Vorstufen- Röhren wie EBC3, EF5, EK2, etc. und sogar die Endpentode EL2 mit den Heizdaten 6,3 V, 0,2 A eine Heizleistung von nur noch 1,26 W hatten. Dies verdeutlicht den rasanten Fortschritt der Röhrenentwicklung in dieser Zeit !
Erst deutlich später erschienen hauptsächlich Vorstufen- Trioden mit Heizung 6,3 V, 0,15 A, entsprechend 0,945 W.
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Mehrgitterröhren:
Bisher besaßen Röhren nur die Elektroden Kathode, Gitter und Anode und wurden daher Trioden genannt, die jedoch mit gewissen Nachteilen behaftet waren.
° Zur Verstärkung von Hochfrequenz stellte insbesondere die Gitter – Anodenkapazität, aber auch der niedere Innenwiderstand, ein Problem dar.
° Zum Betrieb von Lautsprechern waren Endtrioden ineffizient.
Röhren mit 2 Gittern: Tetroden.
Bei Trioden, also Röhren mit nur einem Gitter, wirkt die Anodenspannung der Gitter- Steuerspannung entgegen, wodurch die Verstärkung herabgesetzt wird.
Die Kapazitäten zwischen den Elektroden untereinander, insbesondere die Kapazität zwischen Gitter und Anode sind bei höheren Frequenzen nachteilig.
Mit der Einführung eines zweiten Gitters, das zunächst Schutzgitter, später Schirmgitter genannt wurde, konnten wesentliche Nachteile der Trioden aufgehoben werden.
Dieses Schirmgitter ist zwischen dem Gitter und der Anode angebracht und wirkt als Abschirmung, wodurch die Kapazität zwischen (Steuer-) Gitter und Anode verringert wird.
Dieses Schirmgitter erhält eine positive Spannung, wodurch es nun anstelle der Anode die Elektronen aus der Kathode anzieht.
Dadurch kann der Abstand der Anode zu den anderen Elektroden weiter vergrößert werden, wodurch die Kapazität Anode – Steuergitter noch mehr verringert wird.
Wurde bei der Triode die Verstärkung durch die Rückwirkung der Anode verringert, so wird nun der Anodenstrom hauptsächlich durch die konstante Spannung des Schirmgitters und der eigentlichen Steuerspannung des Gitter 1 bestimmt, wodurch eine sehr hohe Verstärkung zu erzielen ist.
Wird diese Schirmgitterröhre so stark ausgesteuert, dass durch die Schwingungsamplitude die Anodenspannung auf die Höhe der Schirmgitterspannung sinkt, werden die beschleunigten Elektronen nicht mehr von der Anode angezogen und bewegen sich zurück zum Schirmgitter, wodurch sich der Anodenstrom verringert.
Die Schwingung der Anodenspannung ist ab dieser Stelle nicht mehr proportional zur Spannung des Steuergitters, d. h. der Außsteuerbereich der Anode ist dadurch begrenzt. Für Vorstufenröhren, die nur der Signalverstärkung dienen, ist diese Einschränkung akzeptabel.
Als Endröhre ist eine solche Röhre jedoch unbrauchbar, da dieser verringerte Außsteuerbereich dem Ziel einer hohen Ausgangsleistung entgegen steht.
Doppelgitterröhren
Eine Besonderheit stellen die sogenannten Doppelgitterröhren dar, wie z. B. die RE074d, die zwar physikalisch auch Tetroden darstellen, die aber keine Schirmgitterröhren sind.
Ursprünglich diente bei dieser Röhrenart das erste Gitter als Raumladegitter, um bei nur niedriger Anodenspannung Elektronen zu beschleunigen und erst das zweite Gitter diente dann als Steuergitter. Diese Schaltungstechnik ist nur für Batteriebetrieb von Interesse und spielt bei Netzbetrieb keine Rolle mehr.
Allerdings wurde diese Röhrenart auch von ihrem ursprünglichen Zweck entfremdet, indem sie in Überlagerungsempfängern zur Erzeugung der Oszillatorschwingung und zugleich der Mischverstärkung verwendet wurden. Hierzu wurden auch Röhren für Netzbetrieb geschaffen, wie z. B. die REN704d.
Röhren mit 3 Gittern: Pentoden.
Den Nachteil des verringerten Außsteuerbereichs der Schirmgitter- Tetrode lässt sich beseitigen, indem zwischen dem Schirmgitter und der Anode ein drittes weitmaschiges Gitter, ein Bremsgitter, angebracht wird, das auf Kathodenpotential liegt.
Eine solche Röhre besteht nun aus 5 Elektroden, daher also Pentode.
Dieses Bremsgitter erzeugt ein Feld, das die Sekundärelektronen zur Anode zurücktreibt.
Diese Pentode ist nun so hoch aussteuerbar, dass die Anodenspannung weit unter der Schirmgitterspannung liegen kann.
Dadurch ist eine sehr große Schwingungsamplitude der Anodenspannung möglich, wodurch Endpentoden sehr effizient arbeiten.
Bei Vorstufen- Pentoden besteht ein weitere Vorteil gegenüber Tetroden, indem ihr Innenwiderstand nochmals deutlich höher ist.
Röhren mit 4 Gittern: Hexoden.
In den frühen 1930er Jahren wuchs das Interesse an Überlagerungsempfängern = Superhet- Empfängern.
Hierbei muss die Empfangsfrequenz mit einer Oszillatorfrequenz überlagert, bzw. gemischt werden, um eine bestimmte Zwischenfrequenz zu erhalten.
Hierzu sind grundsätzlich Röhren mit 2 Steuergittern geeignet, jedoch brachten Doppelgitterröhren wie die REN704d keine zufriedenstellenden Ergebnisse.
Die Lösung wurde in Hexoden gefunden, d. h. Röhren mit 4 Gittern. Auf ein erstes Steuergitter folgt ein Schirmgitter, darauf folgt ein zweites Steuergitter, wieder gefolgt von einem weiteren Schirmgitter. Dadurch wurden schädliche gegenseitige Beeinflussungen der beiden Steuergitter verhindert.
Jedoch war auch die im Jahr 1933 eingeführte erste Mischhexode RENS1224 noch mit Mängeln behaftet, die erst beseitigt wurden, als in Form der ACH1 eine Hexode mit einer Triode kombiniert wurde, die sich dann über Jahre hinweg als erfolgreiche Mischröhre behaupten konnte.
Eine weitere Anwendung von Hexoden bestand in Form von Fading- bzw. Regelhexoden. In diesem Fall wird den beiden Steuergittern Regelspannung zugeführt, wodurch mit nur wenig Steuerspannung eine starke Verstärkungsregelung erzielt wird.
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1927 – 1933: uneinheitliche Röhrenbezeichnungen in Europa
Im Jahr 1934 wurde von fast allen europäischen Firmen ein einheitliches Bezeichnungsystem für Röhren eingeführt, wie es heute noch bekannt ist.
Zuvor verwendeten die Röhrenhersteller individuelle Bezeichnungen für ihre jeweiligen Röhren. Um nicht ein völliges Chaos zu schaffen, passten jedoch die Hersteller ihre jeweiligen Röhrentypen untereinander soweit an, dass sie austauschbar waren.
Neue Typen wurden meistens von führenden Herstellern entwickelt und von anderen in Lizenz nachgebaut, z. B. kamen Pentoden meistens von Philips, Hexoden und Trioden-Hexoden von Telefunken.
So kam es, dass eine Röhrentype mit bestimmten Eigenschaften unter vielen verschiedenen Bezeichnungen erhältlich war.
Als Beispiel sei die Telefunken RES964 genannt. Sie entspricht der Valvo L496D, der Philips E443H, der Tungsram PP4101, der Visseaux RS4543 und der Dario TE434 wie auch noch einigen Typen anderer Firmen.
Wegen der Bekanntheit im deutschen Sprachbereich wird hier vorrangig die Telefunken- Version erwähnt, außer, wenn eine bestimmte Type von Telefunken nicht oder erst später herausgegeben wird.
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Röhren 1927 - 1933 in Europa, Intro
Da die Entwicklungen in dieser Zeitspanne umfangreicher sind, als es zunächst erschien, wurde eine Unterteilung erforderlich :