Der VE301W-dyn - der meistgebaute Prototyp aller Zeiten ?
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Der VE301W-dyn - der meistgebaute Prototyp aller Zeiten ? Das „dyn“ in der Bezeichnung deutet an, das diese VE-Version nunmehr einen dynamischen Lautsprecher enthielt, was die Wiedergabequalität erheblich verbesserte. Zudem wollte man diesem Gerät unbedingt ein moderneres (m. E. hässlicheres) Aussehen durch eine Linearskala verpassen sowie den Wellenbereichs- und Netzschalter nach vorn verlegen. Im Aufbau entspricht der VE301dyn einem Prototyp im Frühstadium, der in diesem Zustand von einer sinnvollen und rationellen Serienproduktion noch weit entfernt war. Erstaunlicherweise waren über diesen doch sehr ungewöhnlichen Zustand bisher noch nie Kommentare oder Berichte zu finden, obwohl diese Ungereimtheiten doch jedem auffallen müssten, der sich etwas näher mit diesem Gerät befasst. |
(Fortsetzung von "Die deutschen Volksempfänger - wie gut oder wie schlecht waren sie ?")
1938: DKE38 und VE301W-dyn
Zur deutschen Rundfunkausstellung 1938 erschienen zwei weitere sog. „politische Empfänger“, der "Deutsche Kleinempfänger 1938" für 35 RM sowie anstelle des bisherigen VE301W nun der VE301W-dyn nunmehr mit dynamischem Lautsprecher zum Preise von RM 65,-.
Frontaufbauten am VE301dyn- Chassis – umständlicher geht’s nicht mehr !
Chassis und Skala:
Anstatt ein entsprechendes neues Chassis zu entwerfen, wurde das bisherigen Chassis weitestgehend beibehalten, obwohl es für diese Anforderungen denkbar ungeeignet war. Daher musste kostentreibend eine umständliche Skalenkonstruktion (1) mit 4 Schrauben vorn auf das Chassis montiert werden. Der „Zeiger“ besteht aus einem Röllchen, durch welches das Skalenseil hindurchgefädelt ist. Vier Umlenkrollen sind notwendig, um dieses Skalenseil mit der auf der Drehkoachse befindlichen Seilscheibe (3) zu verbinden.
So einfach ist ein Skalenseil um die Antriebswelle des VE zu montieren, - aber selbst das durfte im VE301dyn nicht sein !
Es wäre nun das Nächstliegendste gewesen, das Skalenseil auch gleichzeitig über die Antiebsachse A des Abstimmknopfes zu führen, (Bild) womit die mechanische Verbindung von Abstimmknopf, Drehkondensator und Zeiger hergestellt gewesen wäre.
So einfach durfte es nun aber wirklich nicht sein, denn stattdessen behielt man den wenig eleganten Friktionsantrieb der Vorgängermodelle bei. Dazu musste auf die Seilscheibe (3) noch eine zusätzliche Pertinaxscheibe (2) montiert werden, die anstelle der vorherigen Zelluloidskala auf die Friktionsscheiben der Antiebsachse A einwirkt.
Da wegen diesem Skalenaufbau sich das Chassis nun mehrere cm hinter der Gehäusefront befindet, musste sowohl die Achse für den Schwenkspulenknopf (S) wie auch die Achse für die Rückkopplung (R) jeweils mit einer Achsverlängerung versehen werden. Später erhielten diese Bauteile entsprechend längere Achsen.
Damit Wellenbereichs- und Netzschalter vorn aus dem Gehäuse herausragen, wurde auch für diese ein separates Böckchen unterhalb der Skala mit 4 weiteren Schrauben montiert. Die Idee, das Skalenträger- Blech und dieses Schalterböckchen gemeinsam aus einem einzigen Blechteil herzustellen, hatte man ebenso wenig, wie diese Schalter vielleicht mit dem Schwenkspulen- und Rückkopplungsantrieb zu kombinieren.
Skalenaufbau und -Antrieb im Standard-Super 1948 : bestens integriert !
Wie sich eine Linearskala mit einem Minimum an Material und Arbeitsaufwand realisieren lässt, kann man im Nachkriegs- Standard-Super 1948 sehen: die weise Skalenrückwand ist Teil des Chassisblechs, ein einziges Seil verbindet über nur zwei Umlenkrollen Antiebsachse, Zeiger und die Seilscheibe am Drehkondensator. Das Skalenglas selbst ist am Gehäuse befestigt.
Hier ist alles so praktisch und zweckmäßig organisiert und durchdacht, wie es beim VE301dyn auch schon hätte sein müssen !
Lautsprecher
Lautsprecher des VE301dyn mit Umgebung: auch hier eine Anhäufung von Unzweckmäßigkeiten !
Der dynamische Lautsprecher (L) verbessert deutlich die Wiedergabequalität. Allerdings haben dynamische Lautsprecher einen geringeren Wirkungsgrad als die in den vorherigen VE- Modellen verwendeten Freischwinger.
Passend dazu wäre aber eine Endpentode gewesen, die an 250 V Anodenspannung einen Arbeitspunkt- Anodenstrom von 18...20 mA und eine Ausgangsleistung von ca. 2 W haben müsste, also eine Endpentode mit etwa der halben Leistung der damals üblichen AL4 oder EL11. Anscheinend war die Entwicklung einer solchen Endröhre vorgesehen, die jedoch nicht realisiert wurde. Stattdessen wurde die vorherige RES164 weiter verwendet, die jedoch nur 12 mA liefern kann, womit der Lautsprecher fehlangepasst ist.
Auch muss man davon ausgehen, dass die Feldwicklung ebenfalls für diese 18...20 mA – Endröhre ausgelegt wurde. Da der Anodenstrom der RES164 deutlich darunter lag, musste parallel zur Schaltung ein 28 kΩ Hochlast- Widerstand (R ) geschaltet werden, um genügend Strom durch die Lautsprecher- Feldspule fließen zu lassen, - mit der Folge, dass vom Gesamt- Anodenstrom rund 40 % in diesem Widerstand sinnlos verheizt und nur 60 % von der Schaltung verbraucht wurden.
Eine geeignete Endpentode kam erst 1949 mit der EL8, also 11 Jahre zu spät, und nach dem Kriegsende war es mit dem VE301dyn ohnehin vorbei.
Skalenbeleuchtung
Als erster Volksempfänger erhielt der VE301dyn eine Skalenbeleuchtung. Hierzu wurde aus dem Lautsprecherkorb eine Blechzunge herausgestanzt, auf welche die Fassung der Skalenlampe aufgesteckt wird. Dadurch sitzt die Skalenlampe in einem deutlichen Abstand über der Skala, so dass nur noch ein sehr geringer Bruchteil des ausgestrahlten Lichts auf die Skala fällt.
Damit die Skala trotzdem noch gut ausgeleuchtet ist, wurde eine Skalenlampe 4 V / 0,6 A gewählt, wie sie sonst nur bei besonders großen Skalen eingesetzt wird.
4 V / 0,6 A entspricht 2,4 Watt, der Leistung einer Fahrrad-Scheinwerferlampe ! Dies ist nicht nur eine weitere unsinnige Energieverschwendung neben dem 28 kΩ Widerstand, denn außerdem erzeugen die 2,4 W genügend aufsteigende Heißluft, um allmählich die über der Lampe liegende Membran des Lautsprechers verkohlen zu lassen. Auf dem Bild kann man schon eine deutliche Verfärbung erkennen. Bei zweckmäßiger Montage hätte ein 4 V / 0,1 A Skalenlämpchen für diese kleine Skala völlig ausgereicht !
Netzteil
Auch am deutlich größer dimensionierten Netztrafo kann man erkennen, dass dieses Gerät für mehr Leistung als die vorherigen VE's vorgesehen war. Die Gleichrichterröhre RGN354 der Vormodelle war ebenfalls zu schwach, passende Typen wären die RGN504 oder RGN564 gewesen. Diese übersprang man jedoch und verwendete stattdessen die RGN1064 in Einwegschaltung. Obwohl diese damals auch schon veraltet war, wurde sie gewählt, um keine neue Fassung in das Chassis einpassen zu müssen. Trotzdem war sie günstig herzustellen, da sie sich nur im Sockel von den zeitgemäßen Typen AZ1 und AZ11 unterscheidet.
Nachoptimierung:
Falls erwünscht, könnte man einen VE301W-dyn so ändern, dass er die Sprechleistung erbringt, für die er tatsächlich ausgelegt ist. Dazu muss man entweder eine RES964 anstelle der RES164, oder noch besser eine EL8 einbauen, entweder über einen Sockel-Adapter oder Tausch der Fassung. Dazu muss die 6,3 V Heizspannung durch Aufbringen einer 2,3 V Zusatzwicklung oder einen Anpass- Transformator bereitgestellt werden.
Der 28 kΩ Energievernichtungswiderstand muss entfernt werden, der bisherige 450 Ω - Widerstand für die Gittervorspannung ist durch einen 320...330 Ω Widerstand zu ersetzen, der Ausgangsübertrager ist durch einen solchen von 12..13 kΩ auf 4 Ω auszutauschen. Die Sprechleistung erhöht sich dadurch ganz erheblich, es stehen die vollen 2 W der EL8 zur Verfügung, während wegen der fehleingesetzten RES164 nur knapp über 1 W erreichbar ist.
Mehr dazu in der Fortsetzung: VE301dyn Optimierung