Seibt 31"WN" – aus einer Ruine auferstanden

Veröffentlicht in Eigene Geräte und (Re-) Designs

Seibt 31"WN" – aus einer Ruine auferstanden

vom grottigen Zweikreis- Empfänger
zum Qualitäts- Einkreis-Empfänger

 

Vom Skelett- Zustand aus komplett saniert,
jetzt auch hier mit :

  • HF- Vorstufe,
  • Dioden- Demodulation,
  • Niederfrequenz- Vor-
  • und -Endstufe

Dieser Seibt 31W kam schon vor langer Zeit in meinen Besitz, - etwa um 1980, blieb aber sehr lange ein Ladenhüter.

Es handelt sich um einen Zweikreis- Empfänger, der original mit einer RENS1204 in der HF- Vorstufe, einer weiteren RENS1204 als Audion- Stufe, einer Endstufe, die wahlweise mit RE134, RES164 oder RE304 bestückt werden konnte, sowie einer Gleichrichterröhre RGN1054. Das Gerät hat keinen eingebauten Lautsprecher.

Ein entleertes Radio

Die Angabe im Titel „aus einer Ruine auferstanden“ wurde gewählt, weil das Gerät nicht nur aller abnehmbarer Bauteile beraubt war, aber auch, weil insbesondere die Spulen schon von Werk aus so schlecht waren, dass sie ausgetauscht werden mussten. (Also gut, wenigstens war noch der größte Teil der Knöpfe vorhanden.)

Der Seibt 31 wurde nicht nur ohne Röhren, sondern auch ohne Widerstände und Kondensatoren erhalten.

Diese Bauteile waren nicht, wie später üblich, in der Schaltung fest verdrahtet, sondern befanden sich in Spangen wie Soffiten- Lampen, weshalb sie zuvor leicht von jemandem geplündert werden konnten.

Die fehlenden Bauteile waren für eine frühzeitliche Instandsetzung dieses Radios ein besonderer Minuspunkt, zumal damals noch zu wenig Erfahrung über Geräte dieser Art vorhanden war. Die Verbindungen der Bauteile untereinander erfolgt hier mittels „Leiterbahnen“ auf einer Pertinax- Chassisplatte, die jedoch abgedeckt und somit im Verlauf unsichtbar sind, was die Zuordnung der jeweiligen Bauteile besonders erschwerte.

Zu dieser Zeit war auf den AM- Bereichen noch richtig was los und daher war auch ein Empfänger mit dieser erwartbar geringen Empfangsleistung und Wiedergabequalität wenig attraktiv.

Daher musste dieses Gerät viele Jahre unbeachtet weit hinten im Reservelager verbringen.

Erst, nachdem genug Kenntnisse über derartige Empfänger vorhanden waren, ging ich etwa im Jahr 1999 daran, auch dieses Radio wieder herzurichten.

Das war dann schon in der Zeit, wo auch über Heim-Modulator gehört wurde und eine hohe Empfangsleistung nicht mehr im Vordergrund stand.

Dieses Gerät war lange Zeit ein Problemfall. Nach dem Erscheinen des technisch ähnlichen, aber qualitativ besseren, attraktiveren und völlig unproblematischen Schaub Westminster stand es dann ganz in dessen Schatten. Dies alles sind die Gründe, die dazu führten, erst jetzt, Mitte 2021, dieses Gerät vorzustellen.


Bescheidene Empfangsleistung

Zunächst blieb es bei der originalen Schaltung.

Es zeigten sich jedoch schon früh enttäuschende Resultate. Sämtliche Schwingkreisspulen waren nicht mit HF-Litze, sondern nur mit dünnem einadrigem Draht auf einer Art Nähgarnrollen gewickelt. Solche minderwertigen Spulen aus einem Industriegerät waren mir bisher unbekannt.

Die Empfangsleistung war dadurch erwartbar miserabel. Am oberen Bereichsende, wo der Drehkondensator heraus gedreht und die Schwingkreis- Impedanz hoch ist, war die Empfindlichkeit noch brauchbar. Je weiter man den Drehko in Richtung niederere Frequenzen drehte, ging die Empfindlichkeit immer mehr zurück, so wie sich die Schwingkreis- Impedanz verringerte.

Der „Rheinsender“ des SWF auf 1017 kHz kam schon leicht schwächer als auf anderen Empfängern an, während die Sender Frankfurt auf 594 und Stuttgart auf 576 kHz nur noch leise hörbar waren.

Da sich dieser Spulensatz als komplett unbrauchbar erwies, musste ein Ersatz dafür gefunden werden.

Ein qualitativ brauchbarer Spulensatz für einen Zweikreis- Empfänger mit Antennen-Schwenkspule war nicht vorhanden und war auch nicht unbedingt notwendig. Stattdessen wurde beschlossen, das Gerät zum Einkreis-Empfänger herabzustufen, dafür aber in einen solchen, der gut funktioniert.

Zwar ist es mit dem Zweikreiser Schaub Westminster möglich, die BBC auf 198 kHz ohne Störung durch RTL 234 kHz zu hören, was der Einkreiser nicht kann. Von Bedeutung wäre dies vielleicht, wenn auf 198 kHz das Programm „Gold“ oder „Planet Rock“ zu hören wäre, aber so ist es unwichtig. Für echten Fernempfang sind ohnehin genug Superhets vorhanden.

Da mittlerweile mangels Alternativen ohnehin fast nur noch Modulator- Empfang möglich ist, entfällt der Nutzen der besseren Selektivität des Zweikreisers und die höhere Bandbreite des Einkreisers ist sogar von Vorteil.

Daher wurde in diesen Seibt 31 ein DKE- Schwenkspulensatz eingebaut.

Auch der Doppel-Drehkondensator stand unter Verdacht, zur schwachen Empfangsleistung beizutragen, da er Folien- Isolation hatte. Er wurde durch einen Luft- Drehko ersetzt.

Neuaufbau zum Qualitäts- Einkreis-Empfänger

Es wurde nun beschlossen, die gesamte Schaltung neu zu gestalten und alle gesammelten Erkenntnisse über qualitativ höherwertige Geradeaus- Empfänger einfließen zu lassen. Das 3- Stufen- Konzept, das sich schon in anderen Geradeaus- Empfängern bestens bewährt hat, mit HF- Vorstufe, Dioden- Demodulation, Niederfrequenz- Vor- und -Endstufe, kam auch hier zur Anwendung.

Die Funktion wie auch die Vorzüge dieses Konzeptes wurden schon im Artikel des „Schaub Westminster WN“ ausführlich behandelt, so dass hier nicht mehr näher darauf eingegangen wird.

Die Schaltung von 1999 mit der REN924

Der Seibt 31 ist aus dem gleichen Zeitalter wie der Schaub Westminster und arbeitet daher auch mit den 4 V- Europa- Röhren. Hierbei wurde darauf geachtet, dass andere Röhrentypen als im Westminster zum Einsatz kamen, so dass möglichst viele verschiedene Röhren betrieben werden können.

Als HF- Vorstufe kam hier die Tetrode RENS1264 zum Einsatz, die Funktion der Dioden- Demodulation wie auch die der NF- Vorverstärkung übernahm eine so genannte „Binode“ REN924, eine Triode ähnlich der REN904, die aber noch eine Diode enthält.

Das Gerät war schon im Fund- Zustand mit einem anderen, stärkeren Netztrafo ausgestattet, an dem sich problemlos die Endröhre RENS1374d betreiben ließ.

Der vorgesehene externe Lautsprecher ist mit einem Ausgangsübertrager mit Impedanz 10 kΩ ausgestattet, der für die Endröhre EL95 vorgesehen war. Diese hat wie die RENS1374d die Betriebsdaten: Anodenspannung 250 V, Anodenstrom 24 mA im Arbeitspunkt und ist daher für die RENS1374d genau passend.

Die in den Datenbüchern angegebene Impedanz von 16 kΩ für die RENS1374d kann schon rechnerisch nicht stimmen, um dabei an 250 V eine Sprechleistung von 2,9 W zu erreichen. Für die RENS1374d können nicht plötzlich völlig andere physikalische Gesetze gelten.

Als Gleichrichterröhre kam eine RGN1054 oder eine Äquivalenztype zum Einsatz.

Die Röhrenbestückung von 1999 bis 2016 mit der REN924

Ungleiche Verstärkung

Nicht allzu lange, nachdem der Seibt 31 in dieser Konfiguration in Betrieb ging, stand der Schaub Westminster "WN" mit sehr ähnlicher Technik zum Vergleich gegenüber. Ein wesentlicher Unterschied bestand jedoch in der zweiten Röhre mit den Funktionen Demodulation und NF- Vorverstärkung. Hierbei ist die Verstärkung der Diode-Tetrode RENS1254 im Westminster deutlich größer als die der Diode-Triode REN924 im Seibt 31.

Tatsächlich erschien der Seibt in der Empfindlichkeit gegenüber dem Schaub noch weitaus stärker unterlegen, wie es dem Unterschied der Verstärkung der Röhren RENS1254 und REN924 entspricht. Trotz gutem Signal vom Modulator musste beim Seibt sowohl die Schwenkspule wie auch das Lautstärke- Poti weit aufgedreht werden, um auf Lautstärke zu kommen.

Die Röhrenbestückung ab 2016 mit RENS1264 und AB1

 Erneuter Umbau

Nachdem mehrere Suchen nach möglichen Fehlern erfolglos blieben, wurde im Jahr 2016 beschlossen, die „Binode“ REN924 aufzugeben und stattdessen als NF- Vorstufe eine Tetrode RENS1204 (bzw. die Äquivalenztype H4080D) und zur Demodulation eine separate Diodenröhre einzubauen.

Dies wurde enorm begünstigt, indem sich auf der Pertinax- Chassisplatte noch ein freier Platz für eine bisher unbestückte fünfte Röhre befand, der für die neue NF- Vorstufe mit der RENS1204 wie geschaffen erschien.

An die Stelle, wo sich zuvor die Diode-Triode REN924 befand, kam nun zunächst die Duodiode AB1. Dabei konnte der Anschluss über die Kappe beibehalten werden, der in beiden Fällen zu einer Dioden- Anode führt.

Mit der Tetrode RENS1204 als NF- Vorstufe ist nun Verstärkung im üppigen Ausmaß vorhanden, genau wie auch im Schaub Westminster.

Dioden – Probleme

Von den großen europäischen Herstellern Philips und Telefunken wurde als Signaldioden- Röhre nur die Doppeldiode AB1 angeboten.
Da in zahlreichen Schaltungen, wie auch hier, oft nur eine Diode gebraucht wurde, musste trotzdem eine Doppeldiode AB1 gekauft und die zweite Diode stillgelegt werden.

Diese Doppeldiode AB1 hat die Heizdaten 4 V, 0,65 A, genau wie die Oktode AK1, die damals komplizierteste Röhre.

Auch wenn man davon nur eine Signaldiode brauchte musste für diese die gleiche Heizleistung wie für die Oktode AK1 aufgebracht werden !

Möglicherweise wurde damals behauptet, man könne keine kleineren Katoden als solche für 4 V, 0,65 A herstellen und sich daher eine Einzeldiode nicht lohnen würde.

Wozu Philips und Telefunken unfähig oder unwillig waren, andere konnten es:

Tungsram lieferte die Einzeldiode D418, die nur 0,18 A Heizstrom an 4 V brauchte !

Damit war man nicht mehr gezwungen, eine Duodiode zu verwenden, wenn man nur eine Einzeldiode brauchte und es wurde auch nur der Heizstrom verbraucht, der für eine Einzel- Signaldiode notwendig ist.

Der Heizstrom der Röhre D418 von 0,18 A ist sogar nur unwesentlich mehr als ¼ des Heizstroms der AB1, obwohl die D418 aber ½ so viel „leistet“ wie die AB1 !

Der Heizstrom 0,18 A ist auch kein Zufall, den damit konnte die D418 auch gleichzeitig in 0,18 A- Gleichstrom- Serienheizkreisen eingesetzt werden – eine geniale Lösung !

Hier wurde schon vorweg genommen, nämlich, dass Röhren sowohl für Parallelheizung an Wechselstrom wie auch für Serienheizung gleichermaßen geeignet waren, wie später die Rote Serie mit Röhren wie EBC3, EK2, EF9 usw.

Dagegen ist die AB1 ist natürlich nur für 4 V Wechselstrom zu verwenden und für Gleichstromnetze musste separat eine BB1 für 0,18 A eingesetzt werden.

Wegen der monopolartigen Marktbeherrschung von Philips und Telefunken wurde diese überaus sinnvolle und nützliche Einzeldiode D418 vom Massenmarkt unterdrückt und war fast nur in Geräten der Tungsram- Marke Orion zu finden.

Statt einer AB1 wurde der Seibt 31 nun mit der einzig vorhandenen D418 bestückt. Nur, falls diese ausfallen würde und kein Ersatz gefunden wird, käme wieder eine AB1 zum Einsatz.

Die Schaltung ab 2016 mit RENS1264 und AB1 bzw. D418

Schaltungsdetails

Der Schalter S2 ist der original und weiter verwendete Wellenschalter. Bei LW- Empfang ist die gesamte Antennenspule L1 in Betrieb, bei Mittelwelle nur der untere Teilabgriff.

Neu hinzu kam der Umschalter S3. Damit kann der Anschluss der Antennenspule L1 umgekehrt werden, denn auch im unteren MW- Bereich funktioniert die gesamte Antennenspule L1 besser als der Teilabgriff. Dieser Umschalter wird vom ehemaligen Drehkondensator- Gleichlauf- Korrekturhebel betätigt, der sonst keine Funktion mehr hätte.

 Die alternative Röhrenbestückung mit RENS1264 und D418

 

 Frontansicht des ausgebauten Chassis

 Abgesehen von der Dioden- Demodulation ist die Stufenanordnung immer noch sehr nahe am original- Zustand: im Eingang befindet sich eine Tetrode als HF- Vorstufe, gefolgt von einer weiteren Tetrode, zuvor als Audion, jetzt als NF- Vorstufe, auf diese folgt wiederum eine NF- Endpentode. Die Grundstruktur wurde praktisch beibehalten.

Theoretisch wäre es möglich, das Gerät auch wieder zum Zweikreis- Empfänger auszubauen. Nur gibt es in Anbetracht nicht mehr vorhandener Sender und praktisch nur noch Modulator-Empfang keinen Grund mehr dazu.

Zwei sich ergänzende Geräte

Der nun zum „Seibt 31Wn“ gewordene Empfänger wurde zum Ergänzungs- oder Partnergerät zum Schaub Westminster "WN".

Mit seinem Röhrensatz RENS1264, AB1 (bzw. D418), RENS1204, RENS1374d und RGN1054 ergänzt er den Röhrensatz des „Westminster WN“, der mit RENS1284, RENS1254, RES964 und RGN1064 bestückt ist. Somit kann mit diesen beiden Geräten ein großer Teil der in den frühen 1930er Jahren gebräuchlichsten Röhren betrieben werden.

Zusammengefasst: alle gebräuchlichen „geraden“ Schirmgitter- Röhren RENS1204, RENS1264 und RENS1284, die etwas exotische Diode-Tetrode RENS1254, die beiden sehr gebräuchlichen Endpentoden RENS1374d und RES964 und die ebenso sehr gebräuchlichen Gleichrichterröhren RGN1054 und RGN1064 sind hier im ständigen Betrieb.

Durch die Dioden- Demodulation liefern beide Geräte eine brauchbare Tonqualität. Dies führte dazu, sie beide abwechselnd als Frühstücks- Radio zu verwenden, natürlich (leider) nur noch zum Modulator- Empfang. Es hat aber was ganz besonderes für sich, jeden Tag mit Musik aus Geräten und Röhren zu beginnen, die schon 90 Jahre alt sind oder oder nicht mehr weit entfernt davon !

Rückansicht, geschlossen

Spielt nun seit Jahren jeden zweiten Morgen zum Frühstück, abwechselnd mit dem „Westminster WN"